Der Comeback-Player des Jahres hängt seine Handschuhe an den Nagel. Der 36-Jährige hört nach vielen sportlichen Tiefen auf dem emotionalen Höhepunkt auf.

Alex Smith geht in die NFL-Pension – Ein Rückblick auf eine schöne Karriere mit vielen High-, aber noch mehr Lowlights

Die Nr.  1 des NFL-Drafts 2005

Aaron Rodgers denkt heute noch mit Unbehagen an diesen Tag zurück. Der Kalifornier und heutige dreifache MVP wollte als First Overall Pick von  „seinem Team“, den 49ers gepickt werden. Doch die wählten Alex Smith als First Overall Pick aus. Ein Stich ins Herz von A-Rod, der sogar erst an 24. Stelle von den Packers gepickt wurde. Der  Beginn einer wunderbaren NFL-Karriere von Alex Smith mit viel Leid. Smith unterschrieb kurz darauf einen Sechsjahresvertrag bei den Niners über 49,5 Millionen Dollar und startete in der NFL durch. Zuvor war er als Passgeber der Utah Utes in 22 Spielen gestartet, wovon er 21 gewann. 

Seine Lehr-Jahre bei den 49ers 

Von einer First Overall Pick im Draft erwarten Teams, dass er eine Ära für die Franchise begründet und sie eines Tages zum Superbowl-Sieg führt. In seinem Rookie-Jahr durfte Smith tatsächlich bereits im 4. Spiel der Saison ran. Im darauffolgenden Spiel war er bereits der Starter. Bei seiner Start-Premiere warf Smith gleich vier Interceptions. Auch im zweiten Match überzeugte der jungen Werfer nicht und musste auch schon wieder zurück auf die Bank. Ein Schicksal, das ihm noch oft in seinem späteren Leben widerfahren sollte.

Zum Beispiel in der Saison 2007. Ein verbesserter Smith war, wie schon 2006, in allen Spielen der Starting-Quarterback – ehe ihn eine am 4. Spieltag erlittene Schulterverletzung die Saison kostete. Und nicht nur diese. Auch 2008 setzte die Schulterverletzung den aufsteigenden Passverteiler außer Gefecht. Weswegen er 2009 eine Gehaltskürzung hinnehmen musste, um beim Team bleiben zu dürfen. Smith willigte ein und kehrte im Laufe der Saison als Starter zurück. In dieser Saison warf der Mitzwanziger erstmals mehr Touchdowns als Interceptions. Was im Nachhinein überrascht, dass er so lange dafür brauchte, galt Smith in seinen späteren Jahren doch als einer der zuverlässigsten Quarterbacks in der ganzen Liga. Aller Anfang war also auch für ihn schwer…

Der unbeständige Weg ging 2010 weiter. Wieder warf ihn eine Verletzung zurück. Ehe Alex Smith im Jahr darauf seine Franchise ins NFC Championship Game gegen die New York Giants führte. Es war die bis dahin statistisch beste Saison von Alex Smith im Trikot der Niners. Der Frisco-Quarterback war am vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere angekommen.

Doch die Alex Smith Story ist schon immer ein Up and Down gewesen. Ausgerechnet als die Superbowl zum Greifen nah war, benchte ihn sein damaliger Headcoach Jim Harbaugh in der kommenden Saison darauf. Eine Gehirnerschütterung ließ den Traum vom Superbowl-Einzug platzen Aber nur für Smith als Starter selbst, nicht für sein Team.

Nur mehr die Nr. 2 hinter Colin Kaepernick 

Der nächste große Rückschlag in der turbulenten Achterbahn-Karriere des Alex Smith erfolgte im selben Jahr. Endlich schaffte sein Team den Einzug in den Superbowl. Doch ohne ihn. Sein gesundheitliches Unglück war das Glück eines jungen Quarterbacks, den heutzutage jedes footballbegeisterte Kind in Amerika kennt. Colin Kaepernick – 2012 ging der Stern des jungen Wilden auf, der später mit seinem verweigerten Kniefall bei der Hymne eine ganze Nation spalten sollte. Kaepernick war eine Dual-Threat-Waffe, die nicht nur gut werfen, sondern auch exzellent laufen konnte. Seine Leistungen waren erstens so gut, dass Harbaugh ihn als Starter im Team ließ und zweitens so erfolgreich, dass Kaepernick sein Team in den 47. Superbowl führte. Smith musste als Backup auf der Bank mitleiden, wie sein großer Traum wie eine Seifenblase zerplatzte. Das, wofür sie in San Francisco 2005 Smith holten, schaffte sieben Jahre später ausgerechnet ein Anderer. 

Ein Schlag in die Magengrube für Smith und das Ende seiner Karriere in der Bay Area. San Francisco konnte nur schwer seinen Superbowl-Quarterback wieder auf die Bank setzen, also verhökerte es seinen einstigen #1 Pick. 

Für den ganz großen Wurf sollte es also bei Alex Smith und den San Francisco 49ers nicht reichen. Das Team, das in den 90er-Jahren fünf Superbowl-Titel holte, kam mit dem guten, aber nie außergewöhnlichen Smith under Center kein einziges Mal in das Endspiel der NFL. Mission uncompleted.

Smith wechselt zu den Kansas City Chiefs

Nächster Stopp: Kansas City Chiefs. Die Chiefs ließen sich die Dienste von Smith unter anderem einen Zweitrounder kosten. Der Deal zahlte sich aus. Smith wurde in der Saison in den Pro Bowl gewählt. Nachdem er sein Team zuvor in die Wild Card Round führte.

Wir sind bereits im Jahr 2014 angekommen. Smith ist längst ein bekannter Name in der NFL – und ein Schwerverdiener mit 68 Millionen Dollar für 4 Jahre.

2015 wurde Alex Smith sogar zum MVP gewählt. Nein, nicht der Liga, sondern zum Chiefs-MVP (gemeinsam mit Safety-Legende Eric Berry). In eben dieser Saison gewann Smith mit Kansas zehn Spiele in Folge und erreichte erneut das Play-Off, wo er den Chiefs den ersten Sieg seit 22 Jahren sicherte. Im Divisional gegen die Patriots war aber schon wieder Schluss. 

2016 erreichte der Chiefs-Quarterback zwar mit 3.502 Passing Yards seinen Karrierebestwert, dennoch wurde im Draft 2017 sein Nachfolger geholt. Niemand geringerer als Patrick Mahomes, der seinen Mentor schneller überflügeln sollte, als geplant war. 

Nur mehr die Nr. 2 hinter Patrick Mahomes

Das Pech blieb der Nr. 11 treu. Eigentlich hätte Smith den jungen Mahomes heranführen sollen, damit dieser eines Tages von Smith übernehmen kann. Doch wieder einmal kam alles anders als geplant im oft vermaledeiten Leben des Alex Smith. Schon ein Jahr später musste Smith gehen, weil Andy Reid das riesige Potenzial von Mahomes sehr früh erkannte und ab der Saison 2018 komplett auf seinen Jungstar setzte. Damals erntete die Entscheidung des alten Haudegens auf der Trainerbank für viel Kopfschütteln bei den Experten. Wie man heute weiß, war dies eine der besten Entscheidungen in der langen Trainerkarriere von Andy Reid. Mahomes schoss durch die Decke und gilt heute zusammen mit Rodgers und Brady als der beste Quarterback der Liga. 

Die Horror-Verletzung

Wieder einmal war Smith ein Vertriebener, weil ein Jungspund ihm seinen Platz wegnahm. Wieder einmal kam er schnell bei einem anderen Teams als Nr. 1 unter. Die Washington Redskins holten den Veteran als neuen Quarterback. 94 Millionen für 4 Jahre zeigten, welchen Stellenwert Alex Smith inzwischen in der Liga genoss. 2018 sollte seine Karriere noch einmal groß Fahrt aufnehmen, doch stattdessen wurde sie jäh zerstört.

Es war der 11. Spieltag, als Alex Smith im Spiel gegen die Houston Texans so unglücklich von seinen Gegenspielern Kareem Jackson und J.J. Watt gesackt wurde, dass nicht nur seine NFL-Karriere, sondern sein Leben bedroht wurde. 

Smith zog sich einen Bruch des Schien- und Wadenbeins zu. Saisonaus und beinahe das Karriereaus. Der dreifache Pro-Bowler musste operiert werden. Im Zuge der Operation entzündete sich sein Bein so schwer, dass ihm infolge einer Sepsis sowie lebensgefährdender nekrotisierender Faszitiitis der Verlust seines Beines drohte. Auch sein Leben war zwischendurch in Gefahr. 

Die Leiden gingen weiter und weiter, wollten nicht enden. Smith verpasste nicht nur die komplette 2019er-Saison, sondern musste in Summe 17 Operationen über sich ergehen lasen. Mit dem neuen Spielplan 2021 kann man vergleichen: Das ist eine Operation pro Spieltag. Kaum einer glaubte noch daran, dass Smith je in die NFL zurückkehren würde. Doch der Kämpfer und Stehaufmann machte das Unmögliche möglich und trieb 2020 den Menschen Tränen in die Augen, als er allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz sein vielumjubeltes Comeback auf dem Spielfeld gab.  

Das vielleicht unglaublichste Comeback in der Geschichte der NFL

 Es gibt Momente im Leben eins Fans, die vergisst du dein ganzes Leben nicht mehr. Einer dieser raren, weil so außergewöhnlichen Momente war der Auftritt von Ex-Steeler Ryan Shazier im NFL-Draft. Ein anderer der Moment, als Alex Smith am 11. Oktober 2020 nach dieser unfassbaren Krankengeschichte, diesen unglaublichen 17 Operationen und dem Beinahe-Verlust seines Beines wieder einen Fuß auf das Spielfeld setzte, das ihm stets die Welt bedeutete. Gänsehaut pur im Stadion. Gänsehaut pur an den Fernsehgeräten. Dass Alex Smith jemals nochmal Football spielen würde, war ein mittelgroßes Wunder.

Noch dazu spielte der Quarterback gut. Er war wieder der souveräne Game Manager bester Zeiten. Smith verteilte in Washington sicher die Bälle und bewegte die Chain. Mit ihm gewann sein Team wieder Spiele. Der vom Football so gezeichnete Spieler führte sein Team, seinen Mann auch in kritischen Situationen stehend, in die Playoffs. Hier ereilte ihn sein übliches Schicksal. Smith war erneut verletzt, konnte wieder einmal nicht spielen und zum ganz großen Wurf ausholen. Sprich, in den Superbowl einziehen.    

The End

Noch nie war sich die Fachwelt im Vorfeld der NFL Honors so einig, wer der „Comeback Player of the Year 2020“ werden würde, werden muss. Alex Smith. Seine bewegende Geschichte, der schmerzhafte Weg bis zu seinem umjubelten Comeback waren so einzigartig, dass es hier keine zwei Meinungen gab und er ganze 49 von 50 Stimmen erhielt (ein riesengroßer Roethlisberger-Fan konnte nicht anders).

Zwei Monate nach der Saison 2020 und dem Gewinn des Comeback Player Awards gab Smith sein Karriereende bekannt. Nach 16 langen und harten Jahren in der NFL. 

Sein Körper machte nicht mehr mit.

Alex Smith hörte auf dem emotionalen Höhepunkt seiner Karriere auf, als „gesunder“ Mann.

Mehr noch – als NFL-Legende für die Ewigkeit.