Jogi Löw gießt alten Wein in neue Schläuche: Neue junge Spieler, aber: Selber Spielstil, selbe Taktik, selbe Fehler und Probleme. Deutschland macht 2019 leider größtenteils da weiter, wo es 2018 aufhörte

Ergebnis: 1:1

Tore: Leon Goretzka bzw. Luka Jovic 

Die Start-11
1 Neuer (C) 3 Halstenberg 5 Tah 15 Süle 13 Klostermann 6 Kimmich 21 Gündogan 23 Havertz 10 Brandt 19 Sané 9 Werner

Die Spielanalyse

Die Startelf

Spiel 1 nach dem Rauswurf begann mit einer der jüngsten DFB-Mannschaften aller Zeiten. 8 der 11 Spieler waren unter 25. Kapitän und Torwart Manuel Neuer war der einzige Ü30-Spieler auf dem Feld (und im Kader). Jogi Löw hatte vor dem Spiel seinen Kader rundum erneuert – die altgedienten Recken Hummels, Boateng und Müller unwirsch aus der Mannschaft geschmissen. Die Jungen sollen es ab sofort richten. Der Bundestrainer erwartet sich von Spielern wie Brandt und Co. mehr Schnelligkeit, mehr Dynamik und Lösungen auf engsten Räumen. Doch wie schlugen sich die jungen Wilden? Konnten sie umsetzen, was der Bundestrainer von ihnen erwartet? Die kurze Antwort lautet Nein, die längere liest du im nächsten Abschnitt 

Neues Jahr, alte Probleme

Jogi Löw probierte viel. Er startete mit einem 4-3-3 System. Gegenüber dem letzten Spiel 2018 gab es gleich 6 Veränderungen in der Startelf. Er schenkte auch nur mehr einem einzigen Weltmeister sein Vertrauen (Manuel Neuer). Allein: Im Auftritt selbst entpuppte sich Deutschland 2019 als eine Kopie von Deutschland 2018: Viel Ballbesitz, viel Ballgeschiebe, Ideenlosigkeit und Chancenarmut vorne. Hinten offen wie ein Scheunentor, zu weit aufgerückte Verteidiger, extrem anfällig für Konter und viele Chancen für den Gegner. Jogi Löw goss alten Wein in neue Schläuche. Die Spieler sind andere, die Probleme die gleichen. Eigentlich sollte eine neue Zeitrechnung beginnen, das Spiel gestern war aber so 2018!  

Serben spielten das, was die Deutschen spielen wollten

Ja, es gab im Spiel Dynamik, Schnelligkeit und Umschaltspiel in Perfektion – allerdings von den Serben! Die Gäste spielten das, was Deutschland spielen wollte. Bei besserer Chancenverwertung wären die Gäste gleich mit 2 oder 3 Toren in die Halbzeit gegangen. Die DFB-Youngster enttäuschten lange Zeit auf allen Linien. Zur Halbzeit gab es ob des schlechten deutschen Spiels Pfiffe vom frustrierten Publikum in Wolfsburg. Das Länderspieljahr 2019 startete mit einem kleinen Genickschlag für das junge deutsche Nationalteam. 

Aber in der 2. Hälfte waren die Deutschen doch klar besser!

Völlig richtig. Als die ohnehin schon stark ersatzgeschwächten Serben ihre wichtigsten Spieler ausgetauscht, durch die vielen Wechsel ihren Rhythmus verloren und nur mehr eine B-Mannschaft auf dem Platz stehen hatten, zeigten Sane und Co., wer der Herr im Haus ist. Das könnte das Deutschland der Zukunft gewesen sein. Nichtsdestotrotz: Gegen den zweiten Anzug einer europäischen Durchschnitts-Mannschaft reichte es zu Hause vor eigenem Publikum nur zu einem unbefriedigenden 1:1.  

Sane und Reus als Lichtblicke

In der zweiten Halbzeit zeigte Deutschland, dass einem vor der Zukunft mittelfristig nicht Angst und Bange werden muss. Noch immer hat Schwarz-Rot-Gold Spieler in den eigenen Reihen, die Weltklasse sind. Ein Sane und ein Reus spielten die müder gewordenen Serben im 2. Durchgang fast im Alleingang an die Wand.  

Man Of The Match

Leroy Sane – er verkörperte gestern das, was Jogi Löw eigentlich von all seinen Spielern anno 2019 erwartet. Dynamik, Schnelligkeit, Mut und Risiko, gewonnene 1:1-Situationen und viel Esprit. Sane zeigte gegen die Serben das Gesicht der Zukunft des deutschen Fußballs. Ein neuer Weltstar wächst heran. Wer weiß, wie Deutschland bei der WM in Russland mit ihm abgeschnitten hätte….

Starke neue Außenverteidiger

Die Jüngeren mögen sich nicht mehr daran erinnern, aber Deutschland präsentierte sich über Jahre hinweg bestens in allen Mannschaftsteilen besetzt – nur hinten links wie rechts gab es arge Problemzonen. Diese früheren Probleme scheinen auf unmittelbare Zeit gelöst zu sein. Die beiden Leipzig-Profis Marcel Halstenberg (links) und Lukas Klostermann (rechts) zeigten von Beginn weg, dass Deutschland endlich wieder starke Außenverteidiger besitzt. Dabei ist das Duo aktuell in der Setzliste nur die Nr. 2 hinter Thilo Kehrer und Nico Schulz.
Klostermann ist einer der schnellsten Verteidiger der Liga. Mehrfach sprintete der Nationalteam-Debütant bei den überfallsartigen Kontern der Serben fix zurück und verhinderte so 1-2 Mal in Extremis einen weiteren Gegentreffer. Ex-Rechtsverteidiger Kimmich hätte es mit seinem langsameren Grundspeed nicht mehr rechtzeitig geschafft. Während Klostermann in der 1. Hälfte besser performte, dominierte Halstenberg auf der anderen Seite die 2. Hälfte. Der Rotschopf wurde offensiver und schaltete sich wie sonst Langzeit-Größe Jonas Hector vermehrt in das Kombinationsspiel mit ein. Um diese hinteren Außenverteidiger-Positionen muss sich Deutschland auf Jahre hinaus keine Sorgen mehr machen.   

Jonathan Tah – offenbar nur Innenverteidiger Nr. 4

Dass Jonathan Tah im Testspiel ran durfte, ist nur auf den ersten Blick ein Vertrauensbeweis von Jogi Löw. Der Startelf-Einsatz heißt in Wirklichkeit: Der Bundestrainer wollte seine wahren Stamm-Innenverteidiger für das wichtigere Spiel am Sonntag gegen die Niederlande schonen. Tah wird gegen Holland aller Voraussicht nach auf der Bank sitzen. Löw dürfte neben Süle mit Ginter und/oder Rüdiger in den EM-Quali-Auftakt gehen.   

Timo Werner – Chancentod

2 Riesenchancen in der 1. Halbzeit, aus denen er mindestens 1, als Top-Stürmer besser 2 Tore machen muss. Timo Werner bleibt ein Chancentod. Deswegen wollen Real, Barca oder die englischen Top-Klubs Luka Jovic und nicht ihn. Jovic verwandelte gleich seine 1. Chance zu einem Tor. 

Süle – 0:1 geht auf seine Kappe

Der Bayern-Hüne ist der beste Verteidiger, den wir in Deutschland zur Zeit haben. Nichtsdestotrotz muss er in die Rolle des Abwehrchefs noch hineinwachsen. Auch wenn das 0:1 dank einer unglücklich abgefälschten Vorlage entstand, er verließ völlig unnötig seinen Mann. Luka Jovic stand dadurch ungedeckt frei und konnte ungehindert zu seinem 1. Länderspiel-Tor einnicken. Da fehlt Süle noch ein wenig Routine für das richtige Stellungspiel.   

Die Gewinner des Abends: Hummels, Boateng und Müller

Löw wollte Schnelligkeit, Dynamik und Lösungen auf engstem Raum. Über weite Strecken blieben diese Forderungen an Deutschland 2.0 unerfüllt. Damit dürfen sich Hummels, Boateng und Müller als die heimlichen Gewinner des Abends fühlen. Die Jungen machten es nicht gut, nicht besser als die Alten. Möglicherweise wird Jogi Löw doch nochmal auf seine alten Haudegen zurückgreifen müssen.   

„Wir haben viele junge Spieler. Konsequenz ist für uns ein ganz großes Thema. Vor dem eigenen Tor und im Abschluss. Wir müssen diese besser reinbringen, um solche engen Spiele für uns zu entscheiden.“
Jogi Löw nach der enttäuschenden Remis gegen Serbien zum Länderspiel-Auftakt 2019

  • Die deutsche Leistung gegen Serbien 50% 50%

Ausgewählte Statistiken zum Spiel

Platz 16 in der Weltrangliste für die ehemalige Nr. 1 Deutschland. Die Leistungen auf dem Platz spiegeln es wider. Selbst zu Hause gegen Serbien reicht es nur mehr zu einem Remis

Tore in 20 Länderspielen. Leon Goretzka ist Mittelfeldspieler, hat aber die Tor-Quote eines Stürmers

der 11 Spieler aus der Startelf waren unter 25 Jahre alt. Der Umbruch für bessere Zeiten hat begonnen

Ausblick aufs nächste Länderspiel – Was gegen die Niederlande am Sonntag besser werden muss

 1. Die großen Lücken zwischen Abwehrkette und Mittelfeld-Kette besser schließen

 2. Mehr Schnelligkeit. Mehr Dynamik. Mehr Lösungen. 

 3. Weniger 2018, mehr 2019