Österreich spielte 20 Minuten lang Samba-Fußball, bevor es den lässigen Flow verlor und die althergebrachte Foda-DNA das Nationalteam lähmte
Österreich gegen Polen
1. EM Qualifikations Spiel
0:1
Tor: Krzysztof Piatek
Die Spielanalyse
Die Startelf
Österreich spielte in einem 3-4-2-1 System. Überraschend mit dem erst nachnominierten Maximilian Wöber auf links. In der Innenverteidigung durften Martin Hinteregger und Aleksandar Dragovic ran (Prödl und Posch blieben auf der Bank). Kapitän Julian Baumgartlinger und Florian Grilllitsch bekamen den Vorzug gegenüber Shooting Star Xaver Schlager. Marko Arnautovic musste wieder im Sturm spielen, da Burgstaller und Gregoritsch verletzt passen mussten und ein Marc Janko noch ohne Tor in der Schweizer Super League ist.
Posch & Stöger müssen auf ihr 1. Länderspiel noch etwas warten
Beide wurden gegen die Polen nicht eingesetzt. Nächste Chance: am Sonntag gegen Israel
Faszinierender Samba-Fußball
Schnell, Dynamisch, Handlungsschnell – so will Jogi Löw künftig spielen lassen. Er sollte sich ein Video von Österreichs ersten 20 Minuten besorgen. Die Zuschauer im Happel-Stadion rieben sich verwundert die Augen. Österreichs Nationalelf zauberte in den ersten 20 Minuten wie die brasilianische Fußball-Nationalelf zu besten Zeiten. Schnelle flüssige Kombinationen im Minutentakt wechselten sich mit kreativen, trickreichen Aktionen ab. Die Polen kamen beim rot-weiß-roten Samba-Fußball gar nicht mehr hinterher. Einziges Manko: der Traumfußball mündete in keinem Tor.
Foda-Automatismen greifen endlich
So dermaßen spielstark sah man das österreichische Nationalteam zuletzt in den guten, alten Zeiten unter Marcel Koller. 2018 bekamen die österreichischen Fans regelmäßig langweiligen und uninspirierten „Schlafwagen-Fußball“ vorgesetzt. Gegen die Polen begeisterte der Power-Fußball von Alaba und Co. die Massen. Erstmals griffen alle Mannschafts-Teile perfekt ineinander. Man hatte das Gefühl, dass jeder auf dem Platz weiß, was er tun muss. Modernstes Pressing führte zu zahlreichen Chancen. Der schnelle One-Touch-Fußball mit Ball-Zirkulationen vom Feinsten überforderte die Polen völlig. Das erste Tor und der Sieg für Österreich schienen an dem Abend nur mehr Formsache zu sein.
Foda-DNA löste Flow ab
Nach rund 20 Minuten riss der Faden. Die Mannschaftsteile standen wieder weiter auseinander. Ein Baumgartlinger bspw. spielte in der ersten Phase der Partie einen offensiven 6er, danach ließ er sich kaum mehr am gegnerischen Strafraum blicken, weswegen das überragende Gefüge der ersten 20 Minuten in sich zusammenfiel. Man hatte fast den Eindruck, als trauten sich die ÖFB-Spieler plötzlich nicht mehr. Als würden sie von einem unsichtbaren Faden zur Absicherung nach hinten beordert. Erst als Österreich Angst vor sich selbst bekam und sein Selbstverständnis verlor, kamen die Polen ins Spiel. Ab diesem Zeitpunkt lähmte die 2018er-Foda-DNA (Safety First, gesicherte Grundordnung, nur kein Tor kassieren) das berauschende Spiel der 2019er-Österreicher. Ein kleiner Rückfall in alte Zeiten.
Lindner – Fausten, nicht pritschen
Natürlich war es ein knallharter Schuss, der da mit rund 100 Stundenkilometern auf Österreich-Torhüter Heinz Lindner zuschoss. Jedoch hätte Österreichs Nr. 1 in meinen Augen den Gegentreffer verhindern können. Lindner bekam die Hände schließlich zum Ball. Nur hätte er den Ball nicht pritschen dürfen (vor den Kopf von Piatek), sondern mit den Fäusten weit aus dem Strafraum bugsieren müssen.
Alaba und Sabitzer bringen im Nationalteam die Flanken nicht wie in der deutschen BL
Hätten David Alaba bzw. Marcel Sabitzer im Bayern oder Leipzig Dress gespielt, wäre es zur Pause 1:0 für Österreich gestanden. Aus irgendeinem Grund bringen sie im Nationalteam die Flanke aber nicht so zielsicher herein, wie sie es bei ihren Klubs tun. Das macht auf diesem Niveau den Unterschied, ob du dein Spiel gewinnst oder verlierst.
Arnautovic – falsche Position
Marko Arnautovic ist ein toller Stürmer, keine Frage. Meiner Auffassung nach fehlt der beste Spieler Österreichs aber im Spielaufbau. Wenn man in den letzten Minuten gesehen hat, wie er sich zurückfallen ließ und den Ball nach vorne trieb, spielt er im Nationalteam auf der falschen Position. Schließlich scorte „Arnie“ auch von links die meisten Tore des gesamten Teams. Eine Verschwendung seiner Stärken trotz genereller Stürmermisere im ÖFB-Team. Mit einem echten Stürmer hätten wir nicht nur einen, sondern wieder zwei torgefährliche Spieler in der Nationalelf.
Jankos Zeit ist abgelaufen
Wenn ein Janko aus einer 1.000-prozentigen Torchance kein Tor macht, ist er nicht mehr gut genug fürs Nationalteam. Früher hätte er seiner Freundin im Stadion noch zwischendurch zuwinken können und hätte das Tor trotzdem blind gemacht. Gegen die Polen ließ der Alt-Star selbst diesen Sitzer liegen. Janko ist einer der verdientesten und besten Spieler des letzten Jahrzehnts im ÖFB-Nationalteam. Aber seine Zeit ist vorüber (selbst Vastic auf der Tribüne hätte ihn gemacht). Foda sollte nach dem Israel-Spiel beginnen, stattdessen die jungen Nachwuchsstürmer einzubauen. Bei gleicher Leistung gehört mit Blick auf die Zukunft einfach die Jugend forciert.
Dragovic – Österreichs Man Of The Match
Oft ein Unsicherheitsfaktor im Nationalteam mit schlimmen Patzern, gestern bester Mann. Aleksandar Dragovic. Wenn ein Robert Lewandowski zu keiner Chance kommt, dann ist das „Dragos“ großer Verdienst. Tadellose Leistung des Innenverteidigers, der „Lewa“ den Abend „vertleidet“ hat. Der Bayern-Stürmer fiel in den gesamten 90 Minuten nur durch Fouls auf.
Der Gegner Bosnien
Ausgerechnet gegen Österreich muss der „Tiroler“ Jerzy Brzeczek sein 1. Spiel als polnischer Teamchef gewinnen. Der gefürchtete Dreier-Sturm fiel kaum auf (trotz Piatek-Tor). Lange Zeit kamen die Polen nur dann zu Chancen, wenn die Österreicher hinten patzten. In der zweiten Hälfte outcoachte Brzeczek sein Gegenüber. Polen ist nicht besser als Österreich, schoss aber das einzige Tor des Abends. Sie werden aber noch einige Punkte liegen lassen.
„Die Niederlage ist extrem bitter. Ich habe den Spielern nach dem Match gesagt, dass ihre Leistung über weite Strecken gut war. Wir hatten über 90 Minuten die besseren Möglichkeiten. Eigentlich hätten wir ein Unentschieden verdient gehabt, doch der Fußball ist eben ein Ergebnissport.”
Die Analyse des Teamchefs nach dem 0:1-Pleite zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen Polen
- Die österreichische Leistung gegen Polen 75%
Ausgewählte Statistiken zum Spiel
Erste Niederlage nach zuvor 13 EM-Qualifikationsspielen ohne Niederlage
Erster Gegentreffer nach einem Standard in der Ära Foda
Gegentreffer kassierte Österreich in 13 Spielen unter Foda. Das ist ein sehr guter Wert. An der Defensive liegt´s nicht.
Ausblick aufs nächste Länderspiel – Was am Sonntag gegen Israel besser werden muss
1. Chancen verwerten – ohne Tore (zum wiederholten Male) gewinnst du kein Spiel
2. Standards üben – so viele aussichtsreiche Standards gegen Polen, so wenig Gefahr
3. Arnautovic über links kommen lassen. Wir brauchen ihn im Spielaufbau und für die letzte Aktion
4. „Mia san Mia“ Selbstbewusstsein nicht nach 20 Minuten über Bord werfen, sondern über 90 Minuten halten
5. Wenn wir nur ansatzweise künftig so spielen, wie gegen die Polen zu Beginn, sind wir der Gruppenfavorit