Ein Soziologe erklärt aus wissenschaftlicher Sicht, wieso uns das Spiel so sehr fasziniert. Kristian Naglo blickte im Interview mit dem „Spektrum Magazin“ hinter die Kulissen des beliebtesten Sports der Welt. 

Die Gründe für die Beliebtheit des Sports

„Ich glaube, dass, was in der Literatur genannt wird, ziemlich einleuchtend ist – nämlich die Tatsache, dass viele Leute selbst spielen und so das Spiel auch theoretisch und körperlich verstehen. Streng genommen braucht man zum Fußballspielen ja keinen besonderen Ort und keine spezielle Ausrüstung: eine Konservendose reicht als Ball, die Sie mit Straßenschuhen kicken können. Im Gegensatz zum American Football, wo Sie quasi eine Ritterrüstung benötigen, oder für Polo ein Pferd. Daher haben die meisten eine bessere Grundlage, um zu bewerten, was sie sehen. Das macht es attraktiver, dem Spiel zuzuschauen. Die Regeln des Spiels sind auch relativ leicht zu verstehen, verglichen mit Rugby, Cricket oder Hockey. Weitere Punkte sind mit Sicherheit: Man kann ein gewisses Verhalten an den Tag legen – die „Freiheit“, sich zu benehmen, wie man will: zu schimpfen oder den Gegner zu beschimpfen, auch den Schiedsrichter. Und Alkohol spielt natürlich mit Sicherheit eine große Rolle. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass wir um Cups spielen. Die waren früher gefüllt. Was den Fußball außerdem so attraktiv macht und das Spaßgefühl steigert, ist das Spiel mit dem Fuß: Man hat deutlich weniger Kontrolle.“

Stadionbesuch als Ventil zum Abbau von Aggressionen

„Man bekommt sozusagen ein wirklich körperliches Gefühl von Gemeinschaft. Man singt dasselbe und ist gleich angezogen. (…) Manche werden das nutzen, um ihrer Aggression freien Lauf zu lassen, um das machen zu können, was sie im Alltag nicht können, nämlich vulgär gesprochen die Sau rauslassen.

Hooligans keine gescheiterten Existenzen

„Die Angehörigen der Hooliganszene sind nicht unbedingt „Pflegefälle“ wie arbeitslose Jugendliche, sie kommen tatsächlich eher aus allen gesellschaftlichen Schichten. Da sind ganz normale Familienväter oder Anwälte dabei – Leute des wirklich gehobenen Mittelstands und eben nicht ausschließlich Personengruppen, die man als gescheiterte Existenzen bezeichnen würde. Rechtsradikalismus spielt wohl zunehmend auch eine Rolle. Das Frust- beziehungsweise Aggressionspotenzial scheint dabei erheblich zu sein. Unter Umständen brauchen die Beteiligten genau den Kick, den sie sich rund ums Fußballspielen holen und den sie bekommen, indem sie ihren Aggressionen freien Lauf lassen und in einem relativ klar begrenzten Rahmen aufeinander losgehen.“