Kapitän Marco Reus und Abwehrchef Mats Hummels lobten nach dem starken Viertelfinal-Hinspiel gegen Manchester City die Leidenschaft und Mentalität von Borussia Dortmund. Stellt sich die Frage: Warum spielt der BVB denn nicht in der Bundesliga so beherzt, wie in der Champions League?

Borussia Dortmund wird in der Bundesliga oft vorgeworfen, ein Mentalitätsproblem zu haben. Gestern Abend hatte Manchester City ein Problem mit der Mentalität von Dortmund.

Die Borussen legten im Viertelfinal-Hinspiel der UEFA Champions League ein famoses Auswärts-Spiel hin. Die Schwarz-Gelben überzeugten in Manchester als Team, das unbändigen Siegeswillen zeigte und sich auf technisch hohem Niveau als verschworener Haufen präsentierte. 

Die Terzic-Truppe trat der Guardiola-Elf bissig entgegen, machte die Räume eng und lief sich die Hacken wund, um dem Gegner das Maximum an Paroli zu bieten.

Der Auftritt im englischen Manchester war spielerisch, kämpferisch und mental dermaßen stark, dass man sich als geneigter Zuschauer fragt: Warum spielen die Schwarz-Gelben gegen Frankfurt oder Köln nicht so beherzt? Warum gehen Reus und Co. nur in der Champions League an ihre Schmerzgrenze, aber nicht in der Bundesliga?   

In der Champions League hui, in der Liga pfui – alles Einstellungssache?

Fast könnte man meinen, der BVB nimmt die Gegner in der Liga nicht ernst genug und überschätzt sich selbst. Glaubt man in Dortmund, gegen biedere Kölner mit 80 Prozent zu gewinnen, weil man die auf dem Papier viel bessere Mannschaft stellt? Glaubt man, in Frankfurt mit Spitze-Hacke reüssieren zu können, ohne zu kratzen, beißen und zu kämpfen? Glaubt man, nur in der Champions League 100 Prozent geben zu müssen?

Die Borussen-Kapitäne Marco Reus und Mats Hummels schienen bei ihren Interviews nach dem City-Spiel sichtlich stolz auf ihre Mannschaft zu sein. Gleichzeitig aber auch sichtlich enttäuscht von ihrer Mannschaft, dass diese in der heimischen Bundesliga unerklärlicherweise oft eine Klasse schlechter spielt. Sehr deutlich war in den Interviews klare Kritik im Eigen-Lob zu hören. Hummels etwa lobte gegenüber dem Champions League-Sender „DAZN“ den „Einsatz, die Leidenschaft und Seriosität“ seiner Mannschaft in England. Der BVB kann, wenn er wirklich will. 

„Wir haben einen sehr guten Auftritt hingelegt. Mit einem Einsatz, den wir am besten alle drei Tage zeigen sollten.“

Hier ist sie, die versteckte Kritik im Lob. 

In den Hummels-Aussagen schwingt mit, dass diese Attribute, die für jede Mannschaft selbstverständlich sein sollten, in der Bundesliga fehlen. Bei „Sky“ sagte der Verteidiger: „Sagen wir so: Man erarbeitet sich das im Training. Jeden Tag im Training.“

Hummels erklärte seine Aussage genauer: „Wenn man es jeden Tag im Training zeigt, dann zeigt man’s auch in jedem Spiel.“ Damit deutete der 32-Jährige an, dass es um die Trainingseinstellung einiger BVB-Stars offenbar nicht zum Besten stehen dürfte. 

Hummels selbst misslangen gegen City zwar einige seiner berühmten Beckenbauer´schen Außenristpässe, ansonsten war der Ex-Nationalspieler aber ein Turm in der Schlacht. In dieser bärenstarken Form muss Jogi ihn wegen der EM anrufen.  

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Marco Reus war glücklich und säuerlich zugleich

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Der Gewinner des gestrigen Abends war Marco Reus. Der dieses Jahr so glücklose Kapitän schoss sich mit seinem so wichtigen Auswärtstor aus seiner persönlichen Torflaute 2021 heraus – und seine Mannschaft in eine ideale Ausgangslage für das Rückspiel im Signal Iduna Park. Ein 1:0 zuhause reicht bereits, um ins Halbfinale aufzusteigen.

Doch auch der Alt-Star war nicht nur glücklich nach dem Spiel: „Wir haben zu wenige Spiele wie heute, wo wir unser Niveau zeigen können. Es ist so schade, dass wir uns heute nicht belohnt haben.“

Irgendwie hört man auch hier heraus: Einerseits hat seine Mannschaft gegen ein starkes ManCity dieses tolle Resultat geschafft. Andererseits scheint sich neben Hummels auch der Kapitän zu fragen, wieso sein stargespicktes Dortmund in dieser Tonart nicht jedes Wochenende in der Bundesliga glänzt.

Kann Borussia nur Champions League?

Marco Reus ist ob der Gründe für die ständigen Aussetzer in der Bundesliga ratlos: „Wenn wir das nur wüssten. Wir reden schon seit einem Jahr über Kontinuität. Die brauchen wir halt auch.“

Reus selbst dürfte mit seinem Champions League Tor wieder zarte Ansprüche auf die Nationalmannschaft und einen Platz im EM-Kader stellen.

Der Wermutstropfen: Can hat keine Lust auf die Europa League, erschwert mit seinem Patzer aber die Champions League-Chancen

Emre Can hatte vor einigen Tagen kontrovers zum Besten gegeben, dass er keine Lust auf die Europa League habe, ihn, sinngemäß, nur die Champions League interessiere. Mit seinem fatalen Fehlpass gestern Abend kurz vor dem eigenen Strafraum könnte „Bruder Leichtfuß“ seiner Mannschaft einen folgenschweren Bärendienst erwiesen haben. Sein Patzer führte aus BVB-Sicht prompt zum 0:1. Ein Tor, das auf diesem Top-Niveau eine neuerliche CL-Teilnahme kosten könnte. Auf diesem Niveau entscheiden solche „Dinger“, ob du weiter kommst – oder eben nicht.

Starkes Trainer-Statement von Terzic

Kaum tiefe Läufe des Gegners zugelassen, intensives Mittelfeldpressing mit gleich fünf Spielern inklusive höchster Laufbereitschaft, ManCity nur in den ungefährlichen Räumen den Ball gelassen, über 90 Minuten nur wenige Chancen zugelassen. Edin Terzic hat gegen Pep Guardiola ein kleines Meisterstück als Trainer abgeliefert und bewiesen, dass er –  trotz Flaute in der Liga – für höhere Aufgaben sehr wohl in Frage kommt. Zwar konnte auch der Jungspund auf der Trainerbank ManCity in dieser Saison keine Niederlage in der Königsklasse beibringen, aber sich nach der Glanzleistung seiner Elf international einen gewissen Namen machen.

Seine Veränderungen nach der Pause mit mehr Mut und Mann gegen Mann Taktik im Mittelfeld fruchteten. City-Kapitän De Bruyne und Co. fanden keine Anspielstationen in den gefährlichen BVB-Zonen. Die BVB-Abwehr trotzte dem blau-weißen Pressing und baute seelenruhig von hinten auf, löste sich ein ums andere Mal aus der Umklammerung der wütend anstürmenden Gegenspieler. Als ManCity dann zur Mitte der zweiten Halbzeit doch vehement drückte und sich mehrere Chancen binnen weniger Minuten herausspielte, wechselte der BVB-Cheftrainer genau zum richtigen Zeitpunkt die genau richtigen Spieler aus. Die zunehmend überforderten Dahoud und Morey (beide rannten sich die Seele aus dem Leib) mussten raus, die Routiniers Meunier und Delaney kamen rein (allerdings beide beteiligt am ärgerlichen 1:2 in der letzten Minute).   

Guardiola jedenfalls hatte es nach Schlusspfiff sehr eilig, seinem Kontrahenten auf der Trainerbank seinen aufrichtigen Respekt für die gebotene Top-Leistung im Etihad-Stadium zu zollen. So mutig und selbstsicher treten hier nicht viele Mannschaften auf.      

Neuerliche CL-Teilnahme über CL ev. leichter als über Liga

In der Liga wird es für die Terzic-Truppe angesichts der Rückstands von sieben Punkten bei nur mehr sieben Spielen verdammt schwer, sich noch für Rang 4 und damit die Champions League zu qualifizieren. Wenn allerdings der BVB im Rückspiel nächsten Mittwoch ManCity biegen sollte, wären es „nur noch“ drei erfolgreiche Spiele für ein Wiedersehen in der Königsklasse. Der CL-Sieger ist bekanntermaßen automatisch für die nächste CL-Saison qualifiziert. Leader Hummels ist ob der knappen 1:2-Niederlage optimistisch: „Die Chancen sind noch voll da.“ 

Und in der Bundesliga? Wenn Dortmund mit dem Rückenwind des City-Spiels den Schalter umlegen und die Champions League Mentalität auf die Liga transferieren kann, ist die für den Verein so wichtige erneute Champions League Teilnahme im Bereich des Möglichen.

Und wenn nicht? Gibt es im Sommer nicht nur einen finanziellen Aderlassen de luxe, sondern auch einen massiven Exodus an Star-Spielern – allen voran Top-Stürmer Erling Haaland.