Seit Tagen befindet sich der Bundestrainer im Kreuzfeuer der Kritik: Daher erklärte Joachim Löw heute ausnahmsweise im Rahmen einer DFB-Pressekonferenz, wie aus seiner Sicht das Gespräch mit Boateng, Hummels und Müller gelaufen ist – welche Spielidee er für die Zukunft hat – und was er sich von seinen jungen, neuen Spielern erwartet

Löw zum überraschenden Ende von Boateng, Hummels und Müller im deutschen Nationalteam 

Solche Entscheidungen trifft man nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess. Diese Spieler haben Einmaliges geleistet im letzten Jahrzehnt. Es war die erfolgreichste Dekade im deutschen Fußball. Es ist mir sehr schwer gefallen. Aber wir müssen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Wir haben vor zwei Wochen beschlossen, mit einem neuen Spielsystem in die Qualifikation zu gehen. Dass es damit Veränderungen geben wird, war klar.

Seine Sicht der Dinge zur viel kritisierten Art des Gesprächs

Ich finde es befremdlich, dass Manche (Anm. die Medien, die Öffentlichkeit) darüber so urteilen. Der Faktor Zeit ist für mich kein Indikator für Qualität. Über allem stand die persönliche Nachricht. Sie sollten es von mir persönlich erfahren. Alle sind mir nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch extrem wichtig. 

Hatte Löw inzwischen noch einmal Kontakt zu seinen langjährigen Führungsspielern?

Ich habe mit den Spielern in den letzten Tagen nochmal telefoniert. Die Spieler haben mir zum Ausdruck gebracht, dass sie mir grundsätzlich noch zur Verfügung stehen würden. Die Spieler sind auch nicht aus der Nationalmannschaft verbannt. Ich plane nur Quali und EM ohne sie. 

Haben ihm die heftigen Social Media Reaktionen seiner Ex-Spieler zu schaffen gemacht?

Mit mir persönlich hat das nichts gemacht. Grundsätzlich gibt es keine Dinge die zwischen uns stehen oder unser Verhältnis belasten.

Wie nimmt der Bundestrainer die ständige Unzufriedenheit der Öffentlichkeit gegenüber seiner Arbeit wahr?

Es ist mir nicht wichtig, was die Medien oder die Öffentlichkeit von mir erwarten. 

Wo steht der deutsche Fußball aktuell?

Wir müssen uns viele Gedanken machen. Es gibt Bereiche, da sind wir von anderen Nationen überholt worden. Auch beim Thema Ausbildung müssen wir Dinge verändern. Körperlich ist eine Grenze erreicht. Schneller geht fast nicht mehr. Für Spieler gibt es immer mehr Zeitdruck und immer weniger Raum. Wir müssen im kognitiven Bereich besser ausbilden. Wer handelt unter diesem Zeitdruck schnell? Wer kann mit wenig Raum am besten umgehen? Individuelle Fähigkeiten sind hier gefragt. Das Eins-gegen-eins muss wieder gefördert werden. Nationen wie England, Spanien und Frankreich sind uns da voraus.

Löws neue Spielidee für das deutsche Fußball Nationalteam

Ballbesitz, Dominanz ausstrahlen. Der Ballbesitz-Fußball ist nicht tot. Manchester City oder Barcelona treten in ihren Ligen sehr dominant auf. Wir müssen aber wieder schneller und zielstrebiger werden. Bei der Weltmeisterschaft war unser Spiel geprägt von Langsamkeit, von langen Ballpassagen. Wir müssen unsere Dynamik wieder erhöhen. Wir haben jetzt Spieler in der Mannschaft, die handlungsschneller sind, die Lösungen für Probleme finden. 

Was sich der Bundestrainer von den jungen, neuen Spielern erwartet

Wichtig ist es, jetzt den jungen Spielern Verantwortung zu übertragen, damit wir eine konkurrenzfähige Mannschaft haben im nächsten Jahr. Die Spieler sollen in die neue Rolle hineinwachsen. Das ist nicht eine Sache, die von heute auf morgen funktioniert. Auch ein Sami Khedira oder ein Bastian Schweinsteiger mussten da erst reinwachsen. Alle Spieler die in den letzten 10 oder 12 Jahren in der Hierarchie ganz oben waren, mussten diesen Prozess durchlaufen. Es braucht jetzt Veränderung.

Wer ist bei Löw Deutschlands Nr. 1 im Tor? 

Neuer ist unsere Nr. 1. Marc-Andre ter Stegen ist inzwischen auf Weltklasse Niveau. Manuel muss seine Leistungen bringen.