Dieses neue Deutschland lässt uns wieder von Großem träumen. Reifeprüfung gegen starke Holländer mehr als bestanden. Es gab viele Gewinner bei dieser rauschenden Ballnacht, aber auch einige Verlierer

Ergebnis: 2:3

Tore: Matthijs de Ligt, Memphis Depay bzw. Leroy Sane, Serge Gnabry, Nico Schulz

Die Spielanalyse

Die Startelf

Jetzt wissen wir, wieso Deutschland so schlecht gegen die Serben kickte. Es spielte eine deutsche B-Elf. Für den EM-Qualifikationsauftakt nahm Jogi Löw gleich 7 Spieler raus aus der Mannschaft: Klostermann, Halstenberg, Tah, Gündogan, Brandt, Reus, Werner. Stattdessen schenkte der Bundestrainer jenen Spielern sein Vertrauen: Schulz, Kehrer, Rüdiger, Ginter, Kroos, Goretzka, Gnabry. Löw änderte auch das System: Nach einem 4-2-3-1 gegen die Serben im Testspiel ließ er seine Mannen im ersten Pflichtspiel des Jahres in einem 3-5-2-System mit 2 Stürmern auflaufen. 

Neuer Sturm für Deutschland

Zur Überraschung vieler stand kein Timo Werner in der deutschen Startelfaufstellung. Dies ist noch mehr verwunderlicher, als Löw in seinem 3-5-2 sogar zwei Stürmer in die erste Elf beorderte. Doch diese hießen Leroy Sane und Serge Gnabry. Die zwei Youngster machten ihren Job so dermaßen gut gegen die starken Holländer (beide je 1 Tor), dass Bankdrücker Timo Werner ein kleiner Verlierer der rauschenden Ballnacht war.  

Der Verlierer des Abends

Das war einer, der gar nicht spielte: Marc-Andre ter Stegen. Manuel Neuer hielt über 90 Minuten 3x Weltklasse. An den beiden Gegentoren war er schuldlos. Auch ansonsten strahlte Deutschlands Dauer-Nr. 1 viel Ruhe und Souveränität aus. Weswegen er bis auf Weiteres Deutschlands Torhüter bleiben wird. Jogi Löw hat nach der starken Performance nicht den geringsten Grund, etwas im Tor zu ändern. Zum Leidwesen des bärenstarken und ehrgeizigen Marc-Andre ter Stegen. 

DFB-Botox zeigte Wirkung

Die Verjüngung der Mannschaft schien gegen die Serben noch ein Schuss in den Ofen zu sein. Gegen die Holländer indes brannten die DFB-Jungspunde in der 1. Hälfte ein Feuerwerk ab – inkl. 2:0-Führung zur Pause. Insbesondere das 1:0 symbolisierte den neuen Spielspiel, den Jogi Löw sehen will. Toni Kroos schickte handlungsschnell (!) Nico Schulz auf die Reise. Der Linksverteidiger ist zu schnell (!) für seinen Gegenspieler in Oranje. Dessen Pass in höchster Dynamik (!) verwandelte in der Mitte Leroy Sane mit einer guten Lösung (!) auf engem (!) Raum. 

Schulz als Prototyp des neuen Speedstils

Kein Anderer verkörpert so sehr den von Löw geforderten deutschen Spieler-Prototypen wie Nico Schulz. Sobald er den Ball am Fuß hat, sprintet er in höchstem Tempo nach vorne. Seine Dynamik ließ den Holländern oft keine Zeit zum Nachdenken. Dass Deutschland in der 1. Hälfte so auftrumpfen konnte, lag nicht zuletzt an den zahlreichen Tempovorstößen des wieselflinken Linksverteidigers. Zum Vergleich: Jonas Hector stellte die letzten Jahre einen gänzlich anderen Spieler-Typus dar. Sehr ballsicher, sehr kontrolliert, aber nicht sehr dynamisch.  

Das Learning für die DFB-Elf

Deutschlands junges Nationalteam zeigte in den 90 Minuten erneut seinen Janus-Kopf. Dr. Jekyll und Mr. Hyde dominierten je eine Halbzeit lang. In der ersten Halbzeit spielten Sane und Co. die Niederländer an die Wand, in der zweiten kamen sie nicht mehr über die Mittellinie. Ein Spiel hat aber 90 Minuten, deswegen hätten sie die sicher geglaubte Partie gegen den Erzfeind fast noch verloren. 

Toni Kroos wie ein Relikt aus alten Zeiten

Sie war nicht wirklich schlecht, die Leistung des Mittelfeldstars von Real Madrid. Aber wenn man die anderen deutschen Nationalspieler im Vollspeed auf und ab rennen sieht – und wie sie sich mit voller Wucht in die Zweikämpfe werfen – dann wird man das Gefühl nicht los, dass der große Toni Kroos nicht mehr ganz so recht in diese deutsche Mannschaft passen mag. Sein Typ wäre in Hälfte 2 gefragt gewesen, als die Holländer Deutschland in der eigenen Spielhälfte einpferchten. Doch Kroos ging in der 2. Hälfte völlig unter, konnte seiner Mannschaft mit seinen spielgestalterischen Fähigkeiten nicht helfen. So herrschte fast 45 Minuten lang Unruhe und Unordnung im deutschen Spiel.  

Man Of The Match

Es hätte auch der famose Nico Schulz verdient gehabt. Aber Fußball und Football News wählt: Manuel Neuer! Weil der über 30-Jährige gegen eine Top-Nation zeigte, dass er immer noch ein Weltklasse-Tormann ist und es sich redlich verdient, weiterhin im Tor zu stehen. Der Druck war groß, bei Patzern hätte die Wachablöse passieren können, aber Neuer hielt in den 90 Minuten mindestens 3x Weltklasse und verhinderte so den Sieg der Holländer.

Gewinner des Spiels – Jogi Löw

Klar, jetzt ist gerade alles eitel Wonne. Es hätte für Löw aber auch ganz anders ausgehen können. Bei einer Niederlage wäre sein Kopf so vehement wie nie gefordert worden. Nach dem WM-Desaster, dem Nations League Abstieg, der Ausbootung der drei Weltmeister und einer weiteren Niederlage gegen Holland wäre er vielleicht nicht mehr zu halten gewesen. So aber sitzt er wieder fest im Sattel und kann entspannt der Zukunft entgegensehen. 

Wieso spricht keiner über Gnabry?

Leroy Sane wird zurecht von allen Seiten gehypt. Zu wenig im Fokus steht mir allerdings Serge Gnabry. Der Olympia-Silbermedaillengewinner von Rio erzielte in 6 Länderspielen sagenhafte 5 Tore. Er spielt unspektakulärer als sein neuer Sturmpartner, aber diese Statistik ist einzigartig im deutschen Nationalteam. 

„Die erste Hälfte war von uns überragend. Ich bin innerlich schon zufrieden. Das Jahr 2018 habe ich abgehakt.“
Jogi Löw hat es seinen Kritikern gezeigt und verspürt Genugtuung

  • Die deutsche Leistung gegen die Niederlande 80% 80%

Ausgewählte Statistiken zum Spiel

In diesem Jahr gewann Deutschland zuletzt in Holland. Dieser Fluch ist nach dem 3:2-Sieg gebrochen

Länderspiele hat Toni Kroos nach dem Holland-Spiel am Buckel. Er dürfte der nächste DFB-Spieler mit 100 Einsätzen für Deutschland werden

Tore in 6 Länderspielen schoss Serge Gnabry. Alle Achtung! Und da redet Fußball-Deutschland immer davon, dass wir keinen echten Knipser mehr haben. Haben wir!

Ausblick aufs nächste Länderspiel-Doppel im Juni:
Was gegen Weißrussland bzw. Estland besser werden muss…

 1. Ein Spiel hat 90 Minuten. Alte Fußballer-Weisheit, aber die DFB-Elf spielt immer nur 45 Minuten den Fußball, den sie spielen kann. Wenn Deutschland es schafft, 90 Minuten so zu spielen, wie es teilweise in 45 Minuten zaubert, wird es wieder nur mehr schlagbar sein

 2. Mehr Körperlichkeit. Die Holländer überrannten uns mit ihrer Wucht. Es hätte jemanden wie weiland Dieter Eilts gebraucht, der mal einen Holländer mit fairen Mitteln umhaut. Kimmich gibt sein Bestes, ist aber nicht robust genug. Kroos wirft sich immerhin inzwischen in Zweikämpfe, der Filigran-Techniker schafft aber keine nennenswerten Stopps. Deutschland braucht jemand, der voll dagegenhalten kann 

 3. Deutschland stieg gegen die Holländer wie Phönix aus der Asche. Nun müssen die Adler beweisen, dass dies keine Eintagsfliege war, sondern Deutschland wieder dauerhaft und generell zu Höherem berufen ist. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.